Sie ist da. Manchmal sieht man sie. Wie ein winzig kleiner schwarzer Fleck huscht sie am Augenwinkel vorbei. Erst glaubt man es nicht so richtig. Optische Täuschung. War da was?
Man findet immer mal wieder Spuren ihres Daseins. Zum Beispiel in der Schublade wo Korken sind. Alles angenagt. Wie die da oben in die Schublade kommt. Das ist mir einfach ein unglaubliches Rätsel.
„Wohoollf, die Maus verhungert. Sie frisst Weinkorken.“ Wolf: „Du kannst ihr ja Käse und Schinken und Speck hinlegen. Lass ihr doch gleich den Kühlschrank offen.“
Ich verstecke unter der blauen Getreide-Nüsse-Kiste ein Stück Apfel, drei Rosinen, ein paar Sonnenblumenkerne. Am nächsten Morgen sind die Kerne weg die Rosinen weg, der Apfel 1 Meter vom Ursprungsort entfernt. Angenagt.
Ah, sie hat es gefunden. Sie lebt. Unsere kleine Hausmaus.
Jeden Abend leg ich ihr unter der blauen Kiste einen kleinen Futtervorrat zurecht. Damit sie nicht in meinen Schubladen die trockenen Korken ohne jeglichen Nährwert annagen muss. So einsam verhungern. Ich füttere sie nur so lange, bis sie groß ist, beschließe ich. Und bestell im Internet schon mal eine Lebendfalle ...
Am nächsten Morgen steht Wolf in der Küche, schüttelt den Kopf: „Ich weiß nicht, wo hier immer die Nüsse und Rosinen am Boden herkommen. Jeden Tag find ich da was anderes. Gestern lagen lauter Käsestücke neben dem Kühlschrank ...“
„Ach. Echt. So was ...“
Am nächsten Morgen finde ich Gott-sei-Dank vor Wolf die Rosinen-Straße, quer durch die Küche. Lässt sie unterwegs liegen. Kriegt sie vielleicht Bauchweh davon, zu viel Zucker drin. Sie frisst lieber, Käse, Sonnenblumenkerne, Walnüsse. Ist selbst so groß wie eine halbe Walnuss. Apfelschnitze mit Bio-Mandelmus bestrichen.
Ich komme am Nachmittag vom Stall zurück und Wolf hat alle Schubladen aus unserer Anrichte rausgerupft. Und die ganze Regale ausgeräumt. Nichts, aber auch gar nichts, steht mehr auf seinem Platz. „Du, stell Dir vor, ich mach ‚ne Schublade auf und da gucken mich zwei Mäuse an. Und schau mal, was ich da hinter dem Schrank gefunden habe: Ein Vorratslager für eine ganze Mäuse-Armee. Das sind mindestens zwei Kilo Nüsse, Rosinen, Käse ... Wo haben die das nur her?
„Echt, zwei Mäuse? Ja dann ... wundert mich das nicht.“ Sag ich und bin überglücklich, dass das arme kleine Mäuslein nicht alleine ist.
Seither stehen zwei Lebendfallen in der Küche. Die bestück ich jeden Abend mit Speck, Käse, Bio-Mandelmus. Und jeden Morgen ist nix drin. Und im Augenwinkel meine ich zwei Mäuslein zu sehen, die sich vor Freude in die Pfötchen klatschen.