In Mathematik, in der sogenannten höheren, war ich nie eine große Leuchte. Quasi Armleuchter. Wer braucht schon Mathe, habe ich mir damals gedacht. Doch mittlerweile ist sie mir zu einer Lieben geworden. Eine meiner Exerzitien-Meisterin. Frage nicht. Die Subtraktion, das Wegzählen ist das Meine. Das tue ich gerne. Weniger Freude macht das Wegzählen auf meinen Kontoauszügen. Ich kann mir nicht helfen, da ist mir das Addieren einfach sympathischer. Aber wem sage ich das! Subtrahieren tue ich bei Menschen, einschließlich bei mir. Um zu schauen, was am Ende des Tages unter dem Strich von einem übrig bleibt. Von dem bleibt, was du zu haben glaubst. Du zu sein scheinst. Dabei geht es ausnahmsweise einmal nicht um die Knete in deiner Brieftasche, sondern um die Knetmasse, aus der du gemacht bist. Persönlichkeits-Plastilin, quasi. Die Minus-Rechnung mache ich in regelmäßigen Abständen. Oder zu Jahresende, am Beginn eines neuen 365 Tagelaufes. Gutes Timing. Ich nehme mich also mal zur Seite und schaue in einen Spiegel. Was macht mich aus? Wer bin ich? Die alte von sämtlichen esoterischen und philosophischen Köpfen bis zum Nichtmehraushalten gestellte Frage! Dann fange ich mit der Kopfrechnung an. Oder sollte ich lieber die Bauchrechnung nehmen? Ich denke, also bin ich. Oder denke, bilde ich mir nur ein, der zu sein, der ich bin? Und einbilden tut man sich ja einiges. Auf sich. Wir sind halt Schnösel, allesamt. Dann beginnst du zu rechnen: Der da vor dem Spiegel minus … kleines mitunter stolzes und aufgeplustertes Ego, Geld wie Heu, Auto, Haus, sonstiger Krimskrams, gut im Bett, Titel, Studien, mögliche vornehme Geburt, passabel eingeheiratet, Image, das du dir jahrelang aufgebaut hast, einflussreiche Freunde … Ego – Was = Echtes Ich. Ein Wer bleibt übrig. Sollte zumindest übrig sein. Dein Wie rückt in den Mittelpunkt. Aber Vorsicht! Das Resultat dieser Rechnung kann mitunter brutal sein, so wie ein nasser Fetzen mitten ins Gesicht geschleudert. Möglicherweise stehst du da wie ein nasser Pudel vor den Scherben einer unecht geführten Existenz. Schei..benkleister! Wer bleibt übrig, wenn du all den Tand verlierst? Dich hinter nix mehr verstecken kannst?! Und wie ist dieser Wer beschaffen? So rein charakterlich und dings. Das interessiert mich brennend. Hilft auch toll beim Umgang mit respekteinflößenden Autoritäten. Subtrahiere und du sprichst mit ihm von Mensch zu Mensch. Wir Menschen müssen immer was werden, damit wir etwas sind. Ein Baum ist ein Baum. Warum kann ein Mensch nicht nur mal ein Mensch sein? So als erstes. Sofort die Frage nach dem, was du aus dir gemacht hast. Aber was gemacht? Und warum? Um gut dazustehen vor den anderen? Damit Mami und Papi stolz auf dich sind? Auch wenn du bereits 50+. Um geliebt, respektiert oder ein toller Hecht zu sein? Oder um seiner „Berufung“ im Leben zu folgen, seine Talente zu entfalten, sich zu ent…wickeln, sich heraus wickeln aus falschen, aufgezwungenen oder eingeredeten Vorstellungen? Das Leben würfelt gerne. Oder sitzt gar Gott persönlich am Spieltisch? Mit einem Pokerface? So manch einer kann seine Träume nicht verwirklichen. Ich weiß, das hören die Propheten des zwanghaften positive-thinking nicht so gerne. Setze ich mich halt ins Wespennest. Eh viel zu selten! Dazu brauche ich noch eine Spur mehr Eier in der Hose. Aber das wird schon noch. Viele haben gar nicht die Chance, ihre Talente zu kultivieren. Weil zu wenig Möglichkeit der Förderung vorhanden. Weil einfach zu wenig Kohle – beispielsweise. So mancher Obdachlose wäre vermutlich ein besserer Chefarzt oder Uniprofessor geworden als jener, der an ihm achtlos oder gar verächtlich vorbei stolziert. Frage nicht. Wären – wieder diese unsympathische Wahrscheinlichkeitsform – die Karten anders gemischt worden, dann... Ja, dann. Wenn das Wenn nicht wär… Deshalb, wer du auch bist da draußen und das liest und möglicherweise mehr besitzt als du brauchst oder in einem Leben je ausgeben kannst: Bitte gib dem was, der es brauchen kann. Mach die Augen und dein Herz auf, schau dich um, wo du helfen kannst. Lange brauchst du eh nicht zu suchen! Werde zum Förderer, zum Mentor, zur Mentorin eines anderen! Das wäre doch ein schönes Was, wenn du schon großen Wert darauf legst, was zu sein. Subtrahiere von dir deine Bequemlichkeit, deinen Stolz, deinen Egoismus und alles, was dich sonst noch daran hindert, einfühlsam zu sein!