Es ist wunderschön, warm, fühlt sich toll an, wenn man es streichelt und es riecht obendrein verflixt gut. Ich rede hier nicht von einer begehrenswerten Frau, sondern von einem anderen wundersamen Wesen: Holz. Das geht mir durch den Kopf, als ich eine kunstvoll gefertigte Holzstatue der Heiligen Anna anschaue. Exzellente Schnitzarbeit, von einem Künstler, schon lange nicht mehr unter uns weilend, der irgendwo in einem abgelegenen Alpental seiner Kreativität und seinen Messern freien Schnitt ließ. Solche Menschen faszinieren mich. Aus einem einfachen Stück Holz, womit man sonst seinen Kachelofen einheizt, schaffte dieser Schnitzer etwas, was auch wärmt. Etwas anders halt. Das Herz wärmt. Quasi Augenweiden. Kitschig gesagt. Was dachte sich unser Heilige-Anna-Schnitzer? Wie lange hat er nach einem geeigneten Stück Holz gesucht? Wie oft hat er es gemustert, bevor er den ersten Schnitt gesetzt hat? Hat er mit seinem Stück Holz gesprochen? Quasi eine enge persönliche Beziehung aufgebaut? Hin und her überlegt hat er. Die Anna vorher im Geist fertiggestellt, oder einfach drauflos geschnitzt, sich von seiner Intuition und der Maserung des Holzes leiten lassend? Welcher Moment war jener, an dem er beschloss, die Anna ist fertig, finito, per…fect?! Kein weiterer Schnitt mehr! Wie oft war er im sogenannten „Flow“? Hat er während seines Schaffens vielleicht Gebete gesprochen, seine Anna mit diesen gesegnet, imprägniert, Leben eingehaucht? Welche heute noch in homöopathischen Dosen auf die Betrachter wirken? Weil irgendwie fühlt es sich angenehm an, diese schöne Anna mit meinen Blicken zu streicheln. Und auch sie streichelt zurück. Mit ihrer bloßen Anwesenheit. Wir alle sind ein bisschen Holz. Welches Holz bist du? Hartes? Weiches? Mondholz? Wer hat uns geschnitzt? Okay, Mama und Papa haben auf der Werkbank gehobelt, aber das ist eine andere Geschichte! Welche Messer haben dich herausgeschnitzt aus dem Stück Holz, das du bist? Waren es jene „Schnitzer“ alias Fehler, die dich zu dem machen, der du heute nun mal bist? An Fehlern reift man bekanntlich am meisten. Trotzdem haben wir alle große Angst davor, welche zu machen! Interessante Tatsache! Erni Mangold, österreichische Schauspielgröße und ein „gerader Michl“ vulgo direkter Mensch, der alles ohne Umschweife heraussagt und in diesen Tagen 90 wird, sagt rückblickend auf ihr bisheriges Leben: „Ich habe alle meine Fehler gerne gemacht!“ Schnitzt du noch an dir, oder hast du schon aufgehört und bohrst nunmehr vor Langeweile in deiner Nase? Schnitzereien werden mit dem Alter ja wertvoller und sie bekommen eine wunderschöne Patina. Die Fältchen verlangen Geduld und viel Feingefühl. Und ein sehr scharfes Schnitzzeug. Wäre es nicht schön, wenn wir an jedem Tag, an dem wir wenig älter werden dürfen, auch schöner würden? Ein schönerer Mensch? Liebevoller, gelassener und einfach gehaltvoller! Auch wenn ab und an schon irgendwo der „Wurm“ drinnen ist! Bis zum letzten Atemzug möchte ich an mir schnitzen. Erst nach diesem bin ich vermutlich irgendwie ein bisschen fertig, also perfekt und dings…