Heute Morgen hauchte mir ein schmackhaft süßes Honigbrot neue Lebensgeister in meine schlaftrunkenen Glieder. Beim Hineinbeißen musste ich an die unzähligen Bienchen denken, die sich für meinen Löffel voll Genuss ganz schön ins Zeug legen mussten. Ich ernte-danke euch, liebe Bienenvölker. Für euer süßes Gold, für den heilsamen Propolis, das Wachs, das wundersame Gelée Royale und das Bestäuben der Blüten, ohne die wir früher oder später nichts mehr zu ernte-danken hätten. Jedes Jahr, wenn es draußen wieder zu herbsteln beginnt, begeht man vielerorts Erntedankfeste. Eigentlich könnte man täglich einmal einen Ernte- Dank aussprechen. In einer Überflussgesellschaft nichts Selbstverständliches. Dank für die Früchte der Wiesen, Äcker und Bäume. Dank für die fleißigen Hände, die diese Ernten einfahren. Erntedank wertschätzt und respektiert die Natur. Und unsere Lebensmittel. Erntedank bietet der sinnlosen Verschwendung die Stirn. Keine Vernichtung von Überschussproduktionen, um den Preis zu halten. Lieber sollte man sie denen geben, die nicht einmal das Nötigste zum Essen haben. Wie viel genießbare Produkte werden täglich auf den Müll gekippt! Von den großen Supermarktketten. Und von Ihnen? Da kommt man schon ins Grübeln. Erntedank ist nicht nur etwas für Landwirte und Hobbygärtner. Denn wir fahren täglich und überall Ernten ein. Die Ernte unseres Berufs. Nicht nur die beliebten und not- wendigen Moneten. Sondern auch Freude am Tun, Kundenzufriedenheit, das Gefühl von Sinn und Erfüllung an dem, was man tun darf. Die Ernte einer netten Kollegenschaft und eines menschlichen Arbeitsklimas. Die Ernte von guten und wahren Freundschaften. Wohltuende und erfüllende Liebesbeziehungen und Ehen. Man kann auch gewisse Haltungen und Lebenseinstellungen geerntet haben: Glück, Zufriedenheit, Lebensfreude, Mut, Courage, Mitgefühl. Man kann auch verschiedene Talente geerntet haben. Danken darf man auch für die Ernte guter Lebensumstände. Für Geborgenheit, für Familie, Frieden und Gesundheit. Für welche Ernten dürfen Sie dankbar sein? Haben Sie sich dafür schon einmal bewusst bedankt? Es gibt unter uns Menschen auch so reife Seelen, die bedanken sich auch für weniger Schönes und für Leidvolles in ihrem Leben und dafür, was sie daraus lernen durften. Dass sie daran reifen konnten. Gehören Sie dazu? Zu Beginn aber reicht es vollkommen, wenn man für seine guten Ernten dankt und sie nicht als etwas betrachtet, das einem sowieso zusteht. Wer seinen Blick dafür schärft, wofür er dankbar sein kann, der wird immer mehr davon entdecken. Erntedank reduziert unser tägliches Murren. Unser Murro-Meter kann oft ganz schön weit ausschlagen. Klitzekleines wird zu einem großen Drama. Wie viele Mäuse machen Sie täglich zu Elefanten? Die Dankbarkeit verringert den Zeigerausschlag unseres Murro-Meters ganz ordentlich. Ernten sind natürlich auch davon abhängig, was man zuvor aussät. Wenn Sie mit einigen Ernten in Ihrem Leben nicht glücklich sind, dann kann es am „Saatgut“ liegen, das Sie auswerfen. Wenn ich mit ernster Miene durch die Gegend laufe, dann werde ich selten bis nie ein Lächeln ernten.