Es gibt Tage, da erwache ich mit einer gehörigen Morgenüblichkeit. So ein ungutes Drücken, Zwicken, Zwacken und Rumoren in der Seelengrube. Üblichkeit am Morgen. Plötzliche Heißhungeranfälle nach gehaltvollerem Leben. Zweifelsohne bin ich schwanger. Schon wieder! Ungeborene Sehnsüchte, noch nicht auf die Welt gekommene gute Wünsche und Erfüllungen. Was mich angeht. Was das menschliche Machen betrifft. Oh, diese Üblichkeiten! Die üblichen Schlag-Zeilen. Die üblichen Meinungsmacher. Die üblichen Miesmacher und Angsteinpflanzer. Die üblichen selbstgesalbten „Gurus“ mit ihren üblichen Null-Acht-Fünfzehn-Lösungsvorschläge für die Nöte unseres Planeten. An grünen und üppig gedeckten Tischen ausgedacht. Die üblichen Kriegsliebhaber und Mords-Fanatiker. Das übliche Klima-In-Den-A…-Treten. Der übliche Bienentod – es wird mit dem Summ-Summ-Ton 5 vor 12! Die üblichen Obdachentbehrer am Weg zur Shopping-Meile. Die übliche Gleichgültigkeit. Die üblichen leeren Augen. Die üblichen Blender und Aufschneider. Die übliche Cooltiviertheit. Das übliche Herziehen über andere. Natürlich hinter dem üblichen Rücken. Das übliche Nörgeln und Murren. Der übliche Neid. Die übliche Eifersucht. Die übliche Flüchtlingskatastrophe. Der übliche Fremdenhass. Der übliche stolze Nationalismus. Die üblichen traurigen Gesichter. Die üblichen einsamen Herzen. Das übliche Kuschen… Solche Üblichkeiten sind ungut. Aber noch viel unguter ist die übliche Gewöhnung an derartige Üblichkeiten. Das stillschweigende Hinnehmen. Das resignierende Wegsehen. Der sichere Rückzug in seinen „Kann-Man-Nix-Machen“-Schildkrötenpanzer. Die übliche Abwesenheit von Mutter Zivilcourage. Was nützt Weisheit, was nützt Empathie, was nützt ein gesunder Hausverstand? Errichtet man letztlich doch dem Gegenteil Heiligtümer. Was vermag ich armer Wurm? Die Schwere der Üblichkeit zieht einen abwärts. In die üblichen Tiefen der Passivität. In meiner kleinen Welt gegen diese Üblichkeiten auftreten! Das wird bei mir ab heute üblicher! Ich träume von Üblichkeiten ohne Zwick-Zwack! Von denen einem nicht speiüblich wird. Ich träume von einer üblichen Welt, in der es keine Armen mehr gibt und es keine Armeen mehr braucht. Wo es üblich ist, dass der Stärkere dem Schwächeren hilft. Einfach so. Wo kein Mensch vor Menschen Angst haben muss. Wo Schule Spaß macht. Wo es keine familiäre Gewalt mehr gibt und Kinder weder seelisch noch körperlich missbraucht werden. Wo es üblich wird, dass Menschen morgens lebensfroh aus ihren Betten hüpfen und den kommenden Tag als Geschenk und das Leben nicht als Strafe oder lästige Pflicht empfinden. Wo die Bösartigkeits-Software endgültig aus unseren Herzen deinstalliert wird. Wo wir Narren endlich einsehen, dass ein Miteinander heilvoller ist als das ständige Gegeneinander. Dieser frustrierende Wettkampf! Dieses sinnlose Vergleichen! Wer hat mehr? Wer kann mehr? Wer ist schöner? Wer hat den längeren… Radstand? Na, was dachten Sie denn? Soweit die üblichen Spinnereien und utopischen Fantasien eines Morgenüblichen! Dum spiro spero! Solange ich lebe, hoffe ich! Und darüber hinaus.