Letzten Sonntag heulte ein eisiger Nordwind lautstark um unsere Hausecke. Quasi Stubenhockerwetter. Wie schön, dass es solche Ausreden gibt! Schließlich erwachte die Langeweile in mir, und was tut man, wenn das passiert? Richtig, man schlägt sie tot – die Langeweile. Schließlich musst du ja immer etwas tun, das sagt doch jeder, sonst kommst du dir am Ende noch überflüssig vor. Und wenn das alle so machen, dann wird es wohl richtig sein. So suchte ich Zuflucht in meiner Stube und in den wärmenden Gefilden der Konsumlektüre. Sprich: Katalog blättern. Ein Ding von „Manufactum“ – ein echter Nobelhobel unter den illustrierten Konsumguides. Factum ist jedenfalls, dass ich mir ob der gepfefferten Preise so gut wie nichts bestellen kann. Aber bitte, Träume wird man ja noch haben dürfen! Eventuell das originale „Schweizer Pitralon“ ginge sich aus, das riecht angeblich verflixt gut, also in Sachen Geruchsbelästigung keineswegs Iltis-Alarm! Als meine Blicke staunend und begehrlich über die Bilder wanderten und ich dabei die Artikelbeschreibungen las, da hatte ich so mir nichts dir nichts ein Aha-Erlebnis. Wow, die Leute von Manufactum wollen dich nicht nur einlullen wie viele andere das machen, damit du dein Hirn ausschaltest und drauflos bestellst. Nein, dieser Katalog von „Manufactum“ redet mit dir, nein vornehmer natürlich, er führt quasi eine Konversation. Wenn schon, denn schon. Und nach dieser bist du auch gebildeter als zuvor. Sachen werden nicht bloß angepriesen, so bekommst du beispielsweise historisches Wissen vermittelt: Eine Kopie von „Goethes Wetterglas“ steht da zum Kauf. Ich wusste nicht einmal, dass es so etwas gibt. „Goethe besaß eines, es hat 200 Jahre überdauert und ist funktionstüchtig im Haus am Weimarer Frauenplan zu besichtigen…“ Hätten Sie das gewusst? Quasi historische Exkursion frei Haus. Zudem ist die Lektüre dieses Katalogs ein literarischer Leckerbissen. Eine willkommene und angenehme Abwechslung zu F…. und Sch… in jedem zweiten Satz aus TV und diversen Protestrapper-Songs. Oder zu: „Ähh Mann ähh, ich weiß wo dein Auto wohnt!“ Nein, Sätze voller Achtsamkeit, Wertschätzung gegenüber dem Angepriesenen, quasi eine Liebeserklärung an die Dinge, damit auch der, der diese Sachen kauft, sie nicht nur nutzt, benutzt, sondern diese inniglich in sein Herz schließt. Seite für Seite Schönes: Eine verchromte Espressomaschine mit analogem Kesseldruckmanometer. Ich sage nur: Deus ex oder besser in machina! Eine rassig rote manuell zu bedienende Wurstschneidemaschine mit Schwungrad – pure Mechanik. Eine WC-Bürste, die so schön ist, dass man sie lieber in eine Glasvitrine stellen möchte, als damit seine Kloschüssel zu schrubben. Rasierhobel mit Griff aus weißem Porzellan, wo du noch total männlich eigenhändig eine echte Rasierklinge einlegen darfst, der dazugehörige Rasierpinsel aus Dachshaar – ein Hit. Ein Tomahawk, der mein Herz als gelegentlichen Hobbywaldarbeiter höher schlagen lässt. Träume mich damit schon in die Wälder Kanadas, heimwärts in meine eingeschneite Blockhütte inmitten heilsamer Stille. Falls es in diesem Leben nicht mehr dazu kommt, dann: next life, better life! I hope so! Und Lederschuhe, die ihren Namen noch verdienen. Wäre ich eine Kuh, ich würde meine Haut freiwillig hingeben, um so geschustert neu geboren zu werden. Du findest auch den einen oder anderen Begleiter fürs Leben. Manches wird dich überleben. Wie die Schweizer Armeedecke aus Schurwolle, darin kuscheln auch noch deine Ururenkel. Wie ich so vor mich hinblättere merke ich, dass es schön wäre, das eine oder andere zu haben, aber es macht mich nicht (mehr) traurig, wenn es nicht mehr so sein sollte. Ist es das langsame Älterwerden? Die Wandlung vom Haben zum Sein? Eine Art Gelassenheit? Nein, von der bin ich noch weit entfernt. Die Metamorphose vom gierigen Viel-osophen zum abgeklärten Philosophen? Viel hatte ich sowie noch nie. Wird wohl was anderes sein! Aber wozu für alles immer einen Namen, eine Schublade finden. Einfach sein lassen. Lassen und Sein.