Unsere stahlharten Kirchenglocken hinter ihren geschichtsträchtigen Turmbehausungen bekommen vor lauter Bammel wieder weiche Knie. Wie immer zum Frühjahr hin. Denn bald geht es wieder hinauf in schwindelerregende Höhen. Kein-Stopp-Flug nach Rom in der Karwoche. Via Luftweg ist sowieso klüger. Eh wissen, wegen der geplanten Grenzkontrollen am Brenner und so. Verspätung bei der Rückreise, da könnte Ostern terminlich ins Schwitzen kommen. Will keiner. In Rom angekommen, die Glocken: Schweigeexerzitien radikal. Mucksmäuschenstill. Die ziehen das durch, da gibt’s nix! Und hängen das aber nicht an die große Glocke. Respekt! Wir Menschen hingegen tun uns ja schwer mit dem Silentium, dem Stillsein, das liegt quasi tief in uns drinnen: Still: unheimlich. Laut: optimal. Lärm. Aktion ohne Ende. Hirn, Herz und Seele zur Ruhe kommen lassen - bloß nicht. Deshalb Radau. Volle Dröhnung. So wird eben auch am Karfreitag ob fehlenden Gebimmels geratscht was das Zeug hält. Mit kleinen Holzratschen, also handlicher Art, quasi Krawall to Go, aber auch mittels Mörderratschen, die man mobil vor sich herschieben muss. Alter Fuchs! Da geht was weiter! Wennschon dennschon! Krawallfreitag wäre passender als Karfreitag. Geratscht, wenn auch ganz anders, nämlich leise, im Verborgenen sozusagen, bevorzugt hinterrücks, wird ja das ganze Jahr über. Verbal-Ratschen, permanent mittels Mundwerk. Die Ratsch-Kathis, die alles über alle wissen und das auch ohne große Scheu hinausposaunen, in die Nachbarschaft. Maria und Josef! Ein Geschnatter ist das! Kaum zum Aushalten! Nein, die sterben nicht so schnell aus, die Ratsch-Kathis. Aber das ist eine andere Geschichte. Ach ja, Ostern. Wenn die Glocken wieder heimkommen, dann ist Ostern. Als Bub habe ich mir einige Tage vor Karsamstag unter unserem Birnenbaum ein Osternest gebaut. Und ein rotes Osterei hinein gelegt. Zwecks Osterhasen-Anlockung. Das Nest aus frischem Moos. Quasi aus dem Material, mit dem der Osterhase sowieso von klein auf vertraut ist. Denn der kommt ja auch aus dem Wald. So die Mama damals. Sicher ist sicher. Ein Heunest ist somit für mich nie in Frage gekommen. Was wenn der Osterhase am Ende gar ein extremer Heuallergiker, mit starkem Am-Liebsten-Aus-Dem-Fell-Fahren-Wollen-Juckreiz, rotzendem (=triefendem) Stupsnäschen, megamäßig zugeschwollenen Glubschaugen – diese ansonsten tipptopp, weil Karottenjunky - und er deshalb Heunester meidet als wie nur was? Dann bist du schlussendlich der Depp und schaust blöd aus der Wäsche! Null Ostergeschenke. Ich sage nur: Osterfiasko. Heute baue ich ja keine Osterneste mehr für mich. Sie wahrscheinlich auch nicht. Aber dafür bauen wir genug andere Nester. Und was für welche. Frage nicht. Das sind vielleicht Kaliber! Aus modernsten Materialien, davon hast du früher nur träumen können. Damit baut man sich zum Beispiel ein Zweifamilien-Nest, mit dem man dann ein Weibchen anlocken kann, – wegen Beziehungskiste und so – um schließlich seine gemeinsam entworfene Familie dort einzuquartieren. Oder ein Weibchen sucht ein Männchen. Oder ein Weibchen ein anderes Weibchen, oder ein Männchen ein Männchen – um klischeehaftem und intolerantem Denken Paroli zu bieten. Aber da müssten wir eh schon längst drüber sein. Aber hallo! Ein Nest ist Gebinde aus Sehnsucht. Wer möchte nicht ein Nest sein Eigen nennen, wo er sich geborgen fühlen darf? Sicher, angekommen, geliebt, beschützt. Hhmmm, kann ich da nur seufzen! Ein Heimat-Nest. Ein Zuhause-Nest. Ein Nest ohne Feindschaft und all dem sonstigen Schmarrn, der jedes noch so schöne Nest unbewohnbar macht. Wann werden wir Nestbauer endlich mal gescheiter? Immer derselbe Zirkus! Jeder sollte in seinem Nest in Frieden leben können! Nach seiner Art halt. Niemand sollte aus seinem Nest geworfen werden und flüchten müssen. Verflixte Nesträuber verflixten! Und warum um Himmels Willen gibt es so viele Nestlose? Andere wissen nicht wohin mit ihren Nestern und goldenen Eiern drinnen, soviel haben die. Was geben? Fehlanzeige. Nix da! Wo kommen wir dahin!? Kein Wohltätigkeitsverein und dergleichen. Null-Hineindenken in andere. Mamma mia, da steigt es mir heiß auf! Aber im Grunde arme Teufel. Wir bräuchten dringend so ein richtiges Osterwunder. Mit allem Pipapo. Wo Herzen weich werden und der eine die Last des anderen tragen hilft und niemand mehr seine Kinder hungrig in die Schule schicken muss. Ja, der Hunger ist oft groß. Hunger nach was zum Essen, nach Sinn, nach Liebe und nach Nestern. Früher habe ich mir zu Ostern ein Nest gebaut, weil ich Wünsche hatte. Heute wünsche ich mir ein Nest. Mit meinem Wunderglauben drinnen, der mir irgendwo auf dem Weg zum Großwerden verloren ging. Pfeif drauf! Ich glaube, ich baue mir heuer zu Ostern wieder ein Nest aus Moos. Nur so. Ach ja, noch was: Warten wir nicht auf Wunder! Sondern werden wir selber eines, für andere. Alltagswunder-Nester, wo andere sich wohlfühlen dürfen