Wenn der Tag müde wird und sich in seine Heia begibt, dann wird sein Schwesterchen, die Nacht, putzmunter, dann beginnt quasi ihr Highlife. Die Nacht. Die Sphäre der Dunkelheit, der Magie. Nächtens kommen unzählige Geister hervor. So manche „Dämonen“ deiner Vergangenheit. Vor allem, wenn du alleine bist. Frage nicht! In der Nacht gespenstern auch viele Zeitgenossen herum, die man am Tag so gut wie nie zu Gesicht bekommt. Quasi die Lichtscheuen. Nein, nicht nur Vampire, sondern auch die, die im Schutzmantel der Nacht auf krumme Wege abbiegen und die Pfade des Gesetzes verlassen. Sie drücken somit der Nacht einen unguten Stempel auf. Was kann die Arme dafür?! Die Nacht ist nicht die Schurkin! Sie ist dunkel, sie ist schwarz, aber keineswegs böse. Weil wir ja von jeher gewohnt sind, das Gute mit dem Hellen, dem Licht gleichsetzen. Das saugen wir quasi mit der Muttermilch – ebenfalls schneeweiß – in uns auf. In den Märchen, die Omi erzählte, da war, da ist die Blonde, die Lichte also immer die Gute. Okay, bei den Blondinen-Witzen ist die Helle nicht ganz helle. Aber das ist eine andere Geschichte. Oder denke nur an den strahlende Ritter auf seinem weißen Schimmel. In Western trägt jener Arsch, der beispielsweise den Apachen Winnetou in „Winnetou III“ abknallt, ein schwarzes Hemd, einen schwarzen Hut, hat schwarzes Haar und es ziert ihn ein schwarzer Schnauzer – na muss ich noch mehr sagen? Nehmen wir die Goldmarie: Schönes blondes Haar. Weil die Brave und Fleißige und Gute. Das Vorzeigepüppchen eben. Pech-Marie: natürlich dunkelhaarig. Das faule Luder und so. Frau Holles Lohn für die brave Marie, das Gold: glänzt bis zum Gehtnichtmehr. Das Pech: rabenschwarz. So wie die Nacht eben. Und deshalb wird die Nacht total nach ihrem Äußeren beurteilt. Wie alles und jeder auf unserem Planeten. Weil sie schwarz und schwer zu durchschauen ist, ist sie quasi schon verdächtig. Von Haus aus unheimlich. Nicht ganz koscher. Wie auf deine Augen in der Nacht kein großer Verlass ist und du sowieso alles zuerst einmal sehen musst, damit du was glaubst – eins zu eins wie der „Ungläubige Thomas“ halt – da bist du der Nacht gegenüber sowieso skeptisch. Logisch. Dabei kann die Nacht auch ganz anders. Sie ist romantisch. Verliebte und jene, die es noch werden wollen, beobachten mit ihrem Schatz die Sterne in der Nacht. Ja, sie wollen sogar einen solchen vom Himmel holen, quasi als Liebesbeweis. „Einen Stern, der deinen Namen trägt…“ und dings. Die Nacht ist extrem spirituell. Die alten Mönche haben Nachtwachen alias „Vigilien“ gemacht. Quasi Schlaf-Fasten, um Erleuchtung zu erlangen. Dass ihnen ein Licht aufgeht. Und das in der dunkelsten Nacht. Mönche aus Tibet meditieren in völliger Dunkelheit, um das Licht, das Feuer ihres Herzens zu pflegen und zu wecken. Das wäre ja auch was für dich! Versuche dich einmal im Schlaf-Fasten und meditiere in der Nacht. Eine einzigartige Erfahrung! Weil die Nacht eine ganz eigene Stille hat. Und wenn du glaubst, dass du am nächsten Morgen schläfrig bist oder streichfähig oder so, dann wirst du vom Gegenteil mehr als überrascht sein. Das glaubst du kaum. In der Nacht, in der Dunkelheit, da tritt dein Sehsinn in den Hintergrund und deine anderen Sinne sind gefordert und werden gefördert. Du nimmst sie bewusster wahr. Setzt sie klarer ein. Weil am Tag, da geht alles über das Auge und eventuell noch übers Ohr. Musik, TV, Internet ... Deine anderen Sinne: Stiefkind-Dasein ein Hilfsausdruck. Die Nacht macht auch vieles lebendig. Nicht nur die Nachtschwärmer, die in diverse Nachtlokale eilen. In der Nacht, da wachsen auch etliche Pflanzen heran. Die Nachtschattengewächse. Ich mag diesen Namen. Unsere Erdäpfel vulgo die Kartoffel ist so eine Perle. Ein Geschöpf der Nacht. Und wir lieben sie alle. Kartoffelpüree, Pommes, Chips, Gratins, Kartoffelpuffer – eine meiner Leibspeisen – und natürlich der Kartoffelsalat. Nacht, die man leibhaftig schmecken kann. Da wären noch unsere nachtaktiven Lieblinge. Mein Kater Maxi ist im Sommer nachts nicht zu halten. Ständig auf nächtlicher Tournee mit seinen pelzigen Kumpels. Und viele Zweibeiner tun es ihnen gleich. Auch auf Tour, Trinktournee – mit garantiertem Katzenjammer am Morgen. Wenn ich schon bei den Katzen bin. Mein Opa hat oft – mit einem verschmitzten Lächeln – gesagt: „In der Nacht sind alle Katzen schwarz!“ Was er damit wohl über die Nacht aussagen wollte?