Apfelstrudel, nach Urli-Omas Uralt-Rezept – demnach alturliwürdig – liebevoll von der Mama zubereitet. In Blätterteig eingekuschelte Apfel-Rosinen-Zimt-Nostalgie für Genussekstase fähige und ein wenig Kind gebliebene Gäumlinge. Mystische Geheim-Rezepte bescheren uns unter anderem das sagenumwobene und allzeit umwerbende koffeinhaltige Sprudel-Kult(ur)getränk aus der fernen Neuen Welt und dem Unternehmen zuckersüße Milliarden in die unendlichen Weiten ihrer Kassen. Seit Anbeginn der Zeiten werden wir von Rezepten begleitet, behütet und geführt. „Am Anfang war das Rezept!“ Leben nach Rezept. Ist Leben gar rezeptpflichtig? Nach welchem Rezept sind wir gemacht? Für alle Lebenslagen das scheinbar richtige Rezept. Rezepte für ein glückliches Leben. Ein geglücktes Leben. Neo-Eltern bekommen allerlei Rezepte an die Hand, lange bevor dem gemeinsamen Windelträger der Liebe ein Lüftchen um den Schnuller weht. Sie kämpfen sich durch das undurchdringliche Dickicht des Wie-Mache-Ich-Es-Richtig-Ratgeber-Urwaldes. Tarzan, Jane und Cheeta sind nichts dagegen. Liebes-Rezepte vorab sollen helfen, den ersehnten Partner einzufangen, damit man seine Gene überhaupt wem vermachen kann. Selbstverständlich nach dem Rezept einer harmonischen und sexuell erfüllenden Partnerschaft. Minimum. Erfolgs-Rezepte für einen kometenhaften Aufstieg im Beruf. Rezepte für Reich-In-Dreißig-Tagen. Politische Rezepte versprechen einem das Blaue vom Himmel. Was bleibt? Schwarz, Rot und Grün. Gesundheits-Rezepte für ein Methusalem-Alter. Glaubens-Rezepte für spirituelle Sucher nach, ja nach was den eigentlich? Vogelvertausch-Spiel. Die Taube des Heiligen Geistes wird mit dem eigenen Vogel verwechselt. Nicht selten ein fanatischer Fundi-Raubvogel. Rezepte weisen Wege. Schritt für Schritt. Aber wenn die Schritte nicht die meinen? Was dann? Rezeptfrei leben? Lebensgefährlich? Experimentieren mit Rezepten. Aufpeppen, anderer Zutaten dazu, auch mal Exotisches untermischen. Was sonst keiner nimmt. Muss ja nicht jedem schmecken. Eine persönliche Note verleihen. Kein fader Einheitsbrei. Beim Kochen, im Leben. Eigene Rezepte schreiben. Aktualisieren. „Saisonal“ variieren. Frühling, Sommer, Herbst und Winter des Daseins. Jede Zeit sein Ding. Seinen Geschmack. Rezeptologe werden. Wo sich vorher noch keiner so recht drüber traute. Rezept für ein besseres Miteinander. Rezepte für den stinknormalen Alltag. Eines meiner Rezepte ist „Michaels Workout nach Rezept“. So nenne ich es jetzt mal. Rezept gemeint wie das Rezept, das der Doktor verschreibt, mit Dosieranweisung für Big Pharma. Bei mir ohne Pharma, aber mit Big Wirksamkeit. Dieses Workout mache ich, wenn nicht genug oder gar keine Lust zum Laufen, wenn der „Innere Hund“ –„Faule Hund“- mir auf der Couch meiner unüberwindlichen Massenträgheit zärtlich das Gesicht ableckt. Oder während der Pausen im Job. Dann „Michaels Workout nach Rezept“ Archaische sportliche Grundübungen: Morgens, mittags und abends je 5, 10, 20, 30… Wiederholungen, je nach Kondi, „Luft“ und Laune: Liegestütz, Kniebeugen, Sit-Ups, Kopfkreisen… je nach Vorlieben und Wissen erweiterbar, oder nur ein, zwei Übungen machen. Hauptsache tun. Am Schluss ein bis zwei Minuten in Schulterbreite stehen, Spannungen in Knien auf Urlaub schicken, Kinn entsperren, bewusst dreimal tief das Zwerchfell ein- und ausatmend sanft streicheln. Währenddessen mental den ganzen Schrott rausschmeißen. Überall rezeptfrei und gratis, nicht umsonst. Grundimmunsierung gegen Müdigkeit, Grübeleien und galoppierendes Schwinden der Achtsamkeit.