Mistwetter. Ich steh bei Kurti und guck ihm beim Fressen zu. Dann will ich ihm seine grüne Schüssel noch mal füllen, weil er gar so Hunger hat ... und er schnellt mit dem Kopf hoch, haut mir seinen gigantischen Westernpferdschädel auf meine Backe, so dass mein Kopf aus der Atlas-Ankerung springt und wieder zurück. Gefühlt war das jedenfalls so. Und ich denke mit dem Schleudertraumastrudel im Hirn: Mist. Warum passiert immer mir so was? Heute früh ein dicker Hühnerhaufen unter meinen nackten Füßen beim Rasentautreten. Das Kräuterquarkbrot vom Frühstück fällt runter, natürlich auf die Quarkseite. Der Gepäckbote kommt, während ich auf der Toilette sitze – verschwindet mit dem Paket, das ich jetzt abholen muss. Dann ist noch der Espresso aus. Gefolgt von Kurtis Schädel. Ich bin anscheinend Inhaber des Misanthropen-Gen. Ein Pessimisten-Gen. Das haben Wissenschaftler der Columbia Universität in Florida vor ein paar Jahren gefunden. Es sorgt dafür, dass der Körper viel oder wenig Monoaminoxidase A bildet. Dieses Enzym baut im Hirn unsere Gute-Laune-Botenstoffe wie Serotonin und Dopamin ab. Heißt: viel Enzym, wenig Fröhlichkeit. Und ich hab‘ grad viel Enzym. Null Fröhlichkeit. Das Gen haben Männer und Frauen. Bei Männern wirkt es aber nicht. Deswegen ist Wolf immer so gut drauf.
Nun gibt es aber auch Frauen, die haben offensichtlich kein Pessimistengen. Zumindest ist es nicht aktiv. Die haben wenig von der Monoaminoxidase. Denn wie aktiv dieses Gen in unserem Frauenkörper wirkt, das haben wir – der Epigenetik sei Dank – selbst in der Hand. Wir können nämlich alles verändern, wir können uns sogar ein neues Gehirn machen. Eines, das uns die Welt viel doller sehen lässt – und das Weinglas halb voll … Außer freilich, es handelt sich um billigen Wein … oder ein Kurtischädel bringt alles in kraniosakrale Fehlschwingungen.
Es ist nunmal so: Welche Bienenlarve später zur Königin wird, entscheidet nicht die Genetik, sondern das Futter. Das Königinnenfutter Gelée Royale schaltet Gene um – diese Biene wird doppelt so groß. Der genetische Code sagt noch gar nix über Aussehen und Entwicklung eines Organismus. Schließlich besitzen wir nicht mal viel mehr Gene als ein Regenwurm. Und weniger als zwei Prozent unterscheiden uns vom Schimpansen. Wichtig ist, welche Gene wie aktiv sind. Und das untersucht die Epigenetik. Und sie zeigt auf, wo die Unterschiede zwischen uns Menschen herkommen und was uns so einzigartig macht. Und die gute Nachricht: Der epigenetische Code wird von unseren Erfahrungen beeinflusst, die wir im Lauf unseres Lebens machen. Heißt: Das Ganze lässt sich wirklich beeinflussen. Durch das, was wir erleben.
Als ich nach Hause komme sehe ich was? Einen Regenbogen? Nein. Zwei Regenbogen. Übereinander. Direkt über unserem Haus. Und abends trinke ich zwei halbvolle Glas Wein. Freue mich über das geniale Kochbuch "Greenfeast" von Nigel Slater aus dem Paket, das ich auf dem Weg nach Hause mit dem Espresso im Dorfladen geholt hab – dort hab ich dann Michi getroffen, eine Freundin, die ich lange nicht gesehen hab. Und das Schmerzgel hat den Kurtiunfall schon vergessen lassen. Ich denke ich habe doch den härteren Schädel. Und von wegen Pessimistengen. Wer, wo, was? Ich doch nicht.