Heute Morgen rief mich meine Freundin und Kollegin Jutta sehr aufgebracht an. Den Grund dafür lest ihr in ihrem Gastkommentar:
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Letzte Woche hat sich Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner öffentlich für mehr Lebensmittel-Qualität in Deutschland ausgesprochen. Sie möchte, dass wir, die Verbraucher, nicht so viele Lebensmittel wegwerfen, sie mehr schätzen und bereit sind, Geld für etwas Gutes auf dem Teller auszugeben – was für Franzosen und Italiener kulturbedingt ja selbstverständlich ist.
Nun war ich gestern im Supermarkt meines Vertrauens, der nicht zu den preiswertesten gehört und eine große Obst- und Gemüseabteilung mit passabler Bio-Ecke hat. Mich lachten wunderschöne Pfirsiche an, Herkunftsland Spanien, nicht bio, aber ich dachte: ja mei, in Spanien ist noch Sommer, da können solche Pfirsiche wunderbar gedeihen. Ich befühlte sie prüfend, das feste Fleisch gab leicht unter meinen Fingern nach und mir lief schon das Wasser im Mund zusammen. Ich suchte fünf prächtige Pfirsiche aus.
Heute Morgen zum Frühstück gab’s wie immer eine große Schale Milchkaffee und dazu, auf einem hübschen Porzellanteller von Oma dekoriert, einen Pfirsich. Ich schnitt ein Stück ab und wunderte mich schon über die bräunliche Farbe, die unter der Haut zum Vorschein kam. Etwas irritiert biss ich in den Pfirsichspalt, meine Zunge meldete dem Gehirn augenblicklich überreife Frucht, mehlige Konsistenz, metalliger Geschmack. Ich guckte irritiert auf den Pfirsich. Unschuldig lag er kaum versehrt auf Omas Blümchen-Teller. Ich konnte es nicht glauben und griff noch einmal in die Pfirsich-Tüte, das musste ein Versehen gewesen sein. Der zweite Pfirsich hatte gelb-orange farbiges Fleisch, das so aussah, wie das Fleisch eines Pfirsichs aussehen soll. Meine Geschmacksknospen auf der Zunge weiteten sich in Vorfreude. Ich biss genüsslich in Pfirsich Nummer zwei – und schmeckte – nichts. Dieser wunderschöne orange-rote Pfirsich schmeckte einfach nach nichts. Ich war erschüttert. Wie konnte mich ein Früchtchen aus der Natur nur so sehr täuschen?
Und was mich noch viel mehr aufregte, ja traurig machte: Dieser Pfirsich hat an einem Baum gehangen, Menschen haben sich um diesen Baum gekümmert, ihn gegossen, ihn gepflegt, ihn beobachtet, wie er wächst und Früchte trägt. Sie haben gesehen, wie diese Früchte reifen, sie (wahrscheinlich noch unreif) gepflückt, verpackt und verschickt. Und das alles nur für eine optische Täuschung der Kunden im Supermarkt. Und für den Profit. Vielen Erzeugern ist es offenbar egal, dass sie geschmackloses Zeug produzieren, das von außen zwar aussieht wie ein Pfirsich, ein Apfel, ein Blumenkohl, aber sonst nur aus vitamin- und geschmacksfreier Materie besteht.
Natürlich, werden jetzt einige dagegen halten, können die Obstbauern in Spanien und sonst wo nichts dafür, sie kämpfen oft ums schiere Überleben und gegen die kaputten Preise auf den Großmärkten. Die Pflücker kommen aus Marokko und Rumänien, sind nicht versichert und kriegen Hungerlöhne. Stimmt alles. Aber irgendetwas läuft doch da schief. Wieso muss ein Apfel heute bio sein, damit ich unbedenklich in die (hoffentlich Pestizid freie) Schale beißen kann und meine Geschmacksknospen Apfel! Apfel! ans Gehirn melden. Ich wünsche mir, dass das, was aus der Natur kommt und so aussieht, wieder das ist, was es früher einmal war: ein Lebensmittel. Und für dieses Lebensmittel, Frau Aigner, bin ich dann gerne bereit, mehr Geld auszugeben.