Also ich lebte einmal für eine Jahr auf dem schönen mallorquinischen Land und hatte, wie alle, die das dort tun, Hühner. Etwa 30.
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Wilde Hühner. Die sitzen nicht, wie wir das von fleißigen Hühnern gewohnt sind, auf einer Stange und arbeiten. Die können fliegen. Und schlafen nachts auf dem Baum. Sicher legen die auch Eier. Kleine Eier, fernab von Gütezeichen wie A, aber wunderbare Eier. Nur: Wo legen sie die nur hin?
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Dass ich meine Hühner jeden morgen füttere mit den besten Bio-Körnern, zollen sie, mit weckerersetzendem Krähen. Und auch die undankbaren Hühner zollen mir das nicht in der erwünschten Form, zum Beispiel mir Mal ein frisches Bio-Ei fürs Frühstück vor die Türe zu legen. Dort liegen nur die anderen Hinterlassenschaften.
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Wo die Hühner ihre vielen Eier hinlegen, ist mir ein Rätsel. Allerdings weiß ich nach 28 Tagen, wenn sie Füße haben, dass sie irgendwo waren, die Eier.
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Also krieche ich angesichts der nahenden Ostertage, seit Wochen auf der Suche nach einem wilden freilebenden Nest unter den Kakteen, durch die Büsche über die zwei Meter hohen
Strohballen… – und zufällig fiel gestern ein Blick von dem Ballen ganz oben auf den Traktor dort unten. Mein Bonsai-Traktor. Ein japanisches Modell. Orange. Gebraucht. Ziemlich lange gebraucht. Mit einem kleinen Sitz. Passend zum kleinen Rest.
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Als ich den Traktor gekauft habe, stand er in einer Werkstatt mit lauter Rasenmäher drum rum – und sah dementsprechend groß aus. Als ihn mir die Firma Garcias dann nach ein paar Wochen endlich lieferte, wollte ich die Annahme verweigern: „Den hab ich aber nicht bestellt. Meiner war viel größer.“ Aber er blieb. Und er, der Bonsai-Traktor, ging einmal an – und dann nie wieder. Das hat mich nicht sehr beunruhigt, weil ich bislang nicht wusste, was ich mit dem kleinen Teil auf dem großen Acker machen soll.
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So steht er jetzt eben da unten nicht bewegbar, schier unerreichbar, hinter den Heuballen, sein rostiges Orange verschwindet unter einer Saharasandschicht – und macht mich zum ersten Mal glücklich: Auf seinem kleinen, schwarzen zerfleddertem Sitz liegen Strohhalme. Und drei Eier. Die sehen wunderbar frisch aus.
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Ich rutsche den Heuballen runter, düse ins Haus, hole eine schwarzen Marker, erklimme mühsam den Heuballen rutsche ihn auf der anderen Seite zum Traktor runter, markiere die drei Eier mit einem Kreuz, krabble den Ballen wieder hoch, rutsche runter und schlafe die ganze Nacht nicht vor lauter Aufregung – und natürlich wegen der krähenden Hähne.
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Und echt: Heute Morgen lag da ein viertes Ei. Reinweiß ohne Kreuz. Ein Bio-Ei. Mein wohlverdientes erstes Ei. Ein richtiges Osterei. Ohne Salmonellen, die meist auch noch antibiotikaresistent sind. Ich kann mir auch sicher sein, dass dieses kleine unschuldige Bonsai-Traktor-Ei kein Dioxin enthält. Dieses Ei ist von einem glücklichen Huhn, das unter der mallorquinischen Sonne lebt, und statt in einem DINA-4-großen Käfig, auf einem Traktor Eier legen darf. Ja, ja, zugegeben, auf einem kleinen. Vielleicht sollte ich mir ja einen größeren anschaffen.
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Gut mein Ei ist schwer zu erreichen. Ob die Henne wohl mit dem Traktor umzieht? Und auf meinem Ei steht kein Mindesthaltbarkeits-Datum. Aber ich weiß: Es ist heute gelegt worden. Ich muss nur 28 Tage dazu zählen, dann hab ich das Mindesthaltbarkeitsdatum, das bei uns auf der Packung steht. Und das kann ich ja auf das Ei schreiben.
Und wenn ich dann mal viele Eier habe, weil ein großer Traktor über einen großen Sitz verfügt, kann ich auch ohne viel Draufschreiben herausfinden, wie frisch das Ei ist, nach einem Urlaub zum Beispiel: Das Ei in ein mit Salzwasser gefülltes Glas legen. Sinkt das Ei auf den Glasgrund, ist es ganz frisch. Richtet es sich im Wasser mit dem stumpfen Ende nach oben senkrecht aus, hat die Henne es vor zwei bis drei Wochen gelegt. Und ein Ei, das direkt an der Wasseroberfläche schwimmt, sollte man nicht aufschlagen, denn das stinkt zum Himmel, wie all die verlorenen Eier, die ich auf meinen Kreuzzügen durchs Grundstück gefunden habe, bevor ich mein Bonsai-Traktor-Nest entdeckte.
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In diesem Sinne, wünsche ich mit meiner kleinen Ostergeschichte allen Xuntlesern viele schöne Tage – und viele bunte Hühnereier.
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