Liebe Xunt-Leser, ich beschäftige mich gerade nur peripher mit Xunt-Themen. Das haben Tibor und Cora übernommen, weil ich gerade ein sehr einfaches Leben lebe. Ohne Internet – ich bin einfach nicht drin.
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Ich lebe momentan so richtig auf dem Land. In einer Finca auf Mallorca. In einem Hobbit-Tal am Fuß des Randa-Bergs. Ab und zu aussteigen, schreiben… Diese Finca ist einfaches Leben pur. Sie hat keinen Strom. Sie hat zwei Kaminöfen. Sie hat kein Internet. Und nur ein Funktelefon. Es ist kalt. Wenn ich es warm haben will, muss ich Holz sammeln gehen. Und es sägen. Und dann muss ich den Ofen zum Brennen bringen. Dafür hab’ ich zwei Tage gebraucht. Jetzt bin ich glücklich. Weil das Feuer brennt. Und es warm ist. Was im einfachen Leben keine Selbstverständlichkeit ist, wenn man gewohnt ist, die Zentralheizung am Schalter zu bedienen.
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Feuer machen ist ein Kunststück. Das beginnt mit der Zeitung. Es gibt so ein Werbeblättchen hier, das man sich umsonst aus dem Supermarkt mitnehmen darf. Und weil das im Winter immer sehr viele getan haben, kam der Hersteller der Zeitung darauf, dass sie das nicht tun, um sie zu lesen, sondern ihre Kamine damit anzuzünden. Und dann hat der ziemlich sauere Hersteller irgendetwas mit der Zeitung gemacht, damit sie nicht brennt. Feuerimprägniert sozusagen. Das wissen die Einheimischen. Ich wusste das nicht. Also, wie ich mein Feuer machen wollte, hat schon mal die Zeitung nicht gebrannt. Und dann hat das Holz nicht gebrannt. Erst weil es zu groß war. Und dann weil es zu feucht war. Nach zwei Tagen habe ich nun endlich den Kaminofen an. Es knistert. Bringt die Stille zum Leben. Die Kälte zum Schweigen.
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Damit ich diese Zeilen hier schreiben kann, habe ich einen Generator. Und der wiederum hat auch ein Eigenleben. Er hängt an Batterien, die er zusammen mit der Sonne (Solarzellen) auftankt. Man hat mir gesagt, dass er zwei Stunden am Tag läuft. Bei mir tat er das nicht. Erst lief er gar nicht. Und nach diversen Besuchen eines Handwerkers lief er. Nicht zwei Stunden, sondern ständig. Zu allen erdenklichen Zeiten sprang er an, um stundenlang zu laufen. Ich habe alle Lichter ausgemacht. Den Warmwasserboiler ausgesteckt. Den Kühlschrank. Das Funktelefon. Der Generator lief und lief und lief. Auch um fünf Uhr morgens. Ich lag völlig verzweifelt im Bett. Am nächsten Tag kam der Generator-Mann: „Die Wasserpumpe läuft. Dann springt auch der Generator an.“ Und warum läuft die Wasserpumpe? Da muss man erst mal drauf kommen: Weil der Klokasten rinnt.
Einfach leben heißt, sich um Energie-Ressourcen Gedanken machen. Wenn der Generator läuft, also die besagten zwei Stunden jede Menge Diesel frisst, um die Batterien zu füllen, dann muss da auch jedes Gerät angestellt werden, damit die Energie gut genutzt wird. Die Waschmaschine, der Kärcher, der Boiler… und dann fliegt die Sicherung raus. Also muss man sich einen Plan machen. Montag: Zur Generatorzeit Terrasse mit dem Kärcher sauber machen. Dienstag: Wäsche mit der Waschmaschine waschen. Mittwoch: Staubsaugen. Donnerstag: Warmwasserboiler anstellen, damit man freitags mal wieder duschen kann. Der Generator läuft von halb acht abends bis um halb zehn. Da macht man sich dann in seinem einfachen Leben ab in die Einsamkeit. Weil man sich mit Energiesparen beschäftigt anstatt mit Freunden.
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Mit dem Funktelefon kann man auch Faxen. Raus faxen geht. Nur rein geht nix. Um mit dem Funktelefon anständig zu telefonieren, müsste ich mir die Füße fest betonieren. Denn ich gehe beim Telefonieren. Und spaziere immer in Funk-Löcher. Die Interviews, die ich in den letzen Tagen führen musste, waren eine pure Katastrophe. Für jede E-Mail muss ich in die Stadt fahren zu Freunden, die das Glück haben, eine Telefonleitung zu besitzen. Und mit ihr ein Internet. Was wiederum ganz gut ist, weil mich ja abends der Generator davon abhält, sie zu sehen.
In den letzten Tagen war ich ein Unkrautvernichtungsmittel. Mit Helm und Unkrautschneider mit kleinem Benzinmotor hab’ ich mich durchs Gelände geschlagen. Gehackt und gerupft. Ich kann kein Unkraut mehr sehen. Es ist noch jede Menge da. Und bewegen kann ich mich auch nicht mehr.
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Außerdem war ich ein Insektenvernichtungsmittel. Hier auf dem Grundstück krabbeln Kiefer-Prozessions-Raupen. Das sind nachtaktive Lebewesen, die nichts anderes im Sinn haben, als anderen Lebewesen zu schaden. Sie fressen die Kiefern auf Mallorca kaputt. Und wenn sie damit fertig sind, kriechen sie in einer langen Schlange dicht hintereinander umher, bis sie ein Loch in der Erde zu finden, wo sie sich einpuppen, um als Nachtfalter los zu fliegen. Und diese lange Schlange ist Gefahr pur. Die feinen Härchen der Raupen sind nämlich hoch giftig. Der Mensch kriegt eine Allergie mit hässlich großen Akne-Pusteln, die er Jahre nicht mehr loswird. Und Hunden schwillt die Zunge an, so dass sie ersticken. Mit Schutzhelm, Handschuhen, langer Jacke und Spaten hab ich die Teile eingesammelt, in einen Eimer getan, Benzin drauf gegossen und angezündet. Auf meine Liste hassenswerter Lebewesen ist eine zweite Art gerückt. Noch vor die Zecken.
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Eigentlich könnte ich noch viel vom einfachen Leben erzählen. Vor allem, wann ich es wirklich genieße: Wenn abends die Sonne untergeht, die Insel in Rot taucht. Wenn München im Schneegebirge liegt. Und ich meine auf dem Camping-Kocher zubereitete Pasta mit Tomatensauce esse…
Mittwoch bin ich wieder da. Und dann wird wieder alles ganz, ganz kompliziert…
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Bis dann,
herzlichst
Marion Grillparzer