Die Bachmuschel steht zum Beispiel auf der Roten Liste der aussterbenden Arten. Deshalb haben sich hier in meinem Garten, in unmittelbarer Nähe des ältesten Naturschutzgebiets Bayerns, schon der Biber-Beauftragte und die Muschel-Beauftragte des Landkreises Traunstein getroffen. Der Biber hat nämlich ein bisschen in die Natur eingegriffen, wie er das so macht, er hat einen kleinen Staudamm gebaut. Das hat den Muscheln den Wasserhahn zugedreht. Ganz liebevoll wird der Biber von den Naturschutzbehörden in ein paar hundert Meter in Richtung Bansee zurückgeschickt. Und die Muschelbeauftragte konnte aufatmen – die Muscheln auch.
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Was passiert nur mit den Bachmuscheln, wenn man jetzt an dieses Naturschutzgebiet eine zwei Hektar große Kiesgrube baut? An der sechs Tage die Woche, von morgens um sechs bis abends um neun bis zu fünf Meter unter den Wasserspiegel des nahen Bansees geschürft wird? An der täglich bis zu 24 Lkws beladen und entladen werden? Was passiert mit der Bachmuschel und den vielen anderen Pflanzen, Vögeln, Reptilien, Faltern und Fischen, die hier ein Zuhause gefunden haben? Bedrohten Arten wie Kamm-Molch, Zwerglibelle, Heller Wiesenknopf-Ameisenbläuling oder Spitzenfleck – und all den derzeit noch unbedrohten? Und was passiert mit den Menschen? In Pavolding. Roitham. Wattenham. Seeon … Dass eine Kiesgrube Lärm und Staub macht, weiß man. Und dass das stresst und Herzinfarkt macht, auch.
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Wenn ich morgens joggen gehe, gucke ich, ob der Schwan endlich seine Braut hat. Freue mich über die Haubentaucher mit ihren Küken und laufe Slalom zwischen den Kackhäufchen der Wildgänse auf dem Weg. Der Bauch gluckst über die Seerosen, ich inhaliere den täglich wechselnden Film, den das Spiel von Licht und Schatten, von Sonnenaufgang und Untergang und Spiegelungen über das Wasser zaubert. Es ist so schön da, dass man stehen bleibt und zu atmen vergisst. Der Bansee mit seinen Verlandungsmooren gehört zu dem „Elite-Biotop“ des Landkreises.
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Und dort hin soll eine Kiesgrube in einem ca. 250 Meter schmalen Gürtel zwischen zwei Teilen eines Naturschutzgebietes. Wenige Meter entfernt von einem Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (FFH), welches Tiere und Pflanzen und Vielfalt europaweit schützt. Gleich neben einem Vogelschutzgebiet. Eine weitere Kiesgrube in einem Landkreis, in dem es Kiesgruben genug gibt. In einer Region, in der für den Kiesabbau 2 500 Hektar ausgewiesen sind – die den Kiesfirmen aber nicht genügen oder zu teuer sind. Billigere Flächen findet man natürlich dort, wo viel Natur zerstört wird.
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Als sich am Ende der Eiszeit die Gletscher zurückzogen, brachen größere Eisblöcke ab, die inmitten des Gerölls liegen blieben, und - während sich die Erde erwärmte - zu schmelzen begannen. Es entstanden Toteis-Löcher, in denen sich das Wasser sammelte. Heraus kamen zwei Chiemgauer Seenplatten, wertvolle Relikte der Eiszeit. Das Naturschutzgebiet Seeoner Seen ist das kleinere der beiden Eiszerfall-Landschaften und umfasst sieben Seen: den Griessee, den Brunnensee, den Seeleitensee, den Mittersee und den Jägersee, den Klostersee – und den Bansee. Unseren Bansee. Mit seinen beiden Überschwemmungen, der großen und der kleinen, die in den vergangenen 15 Jahren zu einem der schönsten Biotope Bayerns gewachsen sind. Dort trifft man auf Schwäne und Wildgänse, Blaukehlchen und Hochmoor-Perlmutt-Falter, Goldener Scheckenfalter und die blaue Prachtlibelle, auf Seerosen und Wollgras und hin und wieder auf eine einheimische Badehose. Abends auf Glühwürmchen – wo gibt es sonst noch Glühwürmchen? Die Bewohner dieses Paradieses kommen von jedem Spaziergang zurück mit einem ganz besonderen Foto. Einer feuerroten Libelle, einem gestreiftem Frosch, einem einzigartigen Sonnenuntergang.
Naturschutz ist hier selbstverständlich. Da stehen informative Schautafeln, die über die bedrohten Eiszeitrelikte aufklären, und man wird ermahnt, den Hund anzuleinen, die Bewohner nicht zu stören, die Wege nicht zu verlassen. Die Natur zu schützen.
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Und dorthin kommt eine Kiesgrube? LKW-Fahrten? 15 h Lärm und Staub?
Wir sind hier ein kleiner Mittelpunkt der großen Welt. Man trifft auf Kulturinteressierte auf den Spuren Prof. Heinrich Kirchners – hier verläuft der Skulpturenweg. In Pavolding streckt Kirchners Mutter Erde das Kind in die Luft, man wandert über den Benedikt-, den Kloster-, den Mozart- und den Mühlenweg (so viele Namen hat unser kleines Straßerl) zum Kloster Seeon, dort erwarten einen drei Gestalten, des „Bild des Hoffens“.
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Man trifft auf diesem Schotterweg Pavolding-Seeon auch Gläubige. Ein Stück des 248 km langen Benedikt-Radlwegs führt auf den Spuren des Papstes über unsere kleine Naturperle, vorbei am künftigen Kieswerk nach Seeon. Man kann dann beim „Alten Wirt“ den Kiesgrubenstaub mit einer heiligen bayerischen Maß unter den Kastanien wegspülen. Radler, Wanderer, Glaube, Kultur, Natur… Eine touristische Perle wird entzaubert.
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Noch trifft man den Arzt, und seine Frau, eine bekannte Fotografin, die den Bansee und sein Moorgebiet in wundervoll künstlerischen Aufnahmen festgehalten hat, gerade ausgestellt im Rathaus zu Seebruck. Man trifft die Frohnatur auf dem Radl, zurück vom belebenden Badeausflug. Die Architektin dreht ihre täglichen Runden mit ihrem Wasserpudel. Der Bauer kommt auf seinem Oldtimer-Fendt gemütlich angetuckert vom Holzpflegen. Der Jäger grüßt sein stummes Weidmannsheil. Der Angler winkt kurz auf. Der Chiemsee-Bob-Dylan von Seeon radelt zur Musiksession. Alle, die hier leben, lieben dieses Land. Keiner will eine Kiesgrube außerhalb der im Regionalplan festgelegten Vorrangflächen. Die 6-Seen-Platte mit dem Bansee ist Naherholungsgebiet nicht nur für uns. Ist? War?
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Was da passieren soll, hat uns keiner erzählt. Bis es in der Zeitung stand. Schier über Nacht formierte sich die „Bürgerinitiative Kiesgrube-Seeon-Grünweg“. Binnen vier Tagen unterschrieben über tausend Bürger die Petition "Rettung einer Chiemgauer Perle vor der Zerstörung durch Kiesabbau am Naturschutzgebiet“. Und dann kam Gott-sei-Dank die Reaktion: Das Landratsamt Traunstein nahm den Genehmigungsbescheid zurück. Aufatmen. Freude. Kurz.
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Bei der öffentlichen Gemeinderatssitzung in Seeon eine Woche später liest der Bürgermeister vor: Landratsamt zieht für 2/3 der Kiesgrube die Genehmigung zurück. Dort ist nämlich ein schützenswertes Todeisloch-Gebiet. Genehmigt aber ab sofort den Abbau von 1/3 der Kiesgrubenfläche nördlich neben unserem Mozart-, Benedikt-, Kloster-, Mühlen-, Kiesgrube-Weg. Ein Weg, zwei Meter schmal, trennt Todeisloch von Nichttodeisloch?
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Und schon steht der Bagger dort. Ein Metallzaun. Zwei derzeit nicht genehmigte Drittel warten halt zwei Jahre, bis nördlich genug graues Gold geschürft wurde, um per Klage südlich dann weitere acht Jahre abzubauen. Regiert Geld auch diese kleine Welt, hat es Vorrang vor Naturschutz? Hat jemand mal die Kinder hier gefragt, ob sie lieber Glühwürmchen, Seerosen, Wildgänse, Bachmuscheln haben oder Metalldrahtzäune und Kies-LKWs. Was fragen die Kinder uns in acht Jahren, wenn die Kiesgrube ausgebeutet ist?
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Damit wir im Chiemgau Schützenswertes schützen können…
Bitte spendet dem Umweltschutzverband Alztal. UVA, er klagt gegen den Bau der Kiesgrube. www.uva-trostberg.de. Unten könnt ihr ein Formular herunter laden. Danke!!!!!
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Wir hoffen alle, dass das mit Hilfe des Umweltschutzverbandes Alztal gut geht. Und man mit einer Klage diese Kiesgrube noch abwenden kann. Wenn viele mithelfen. Wenn die Chiemgauer ihre Natur dort schützen, wo man sie schützen muss.
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