„Was ist das?“
„Eine Spinne, die unser Haus aufräumt.“
„Wo ist das?“
„In der Küche...“
„... neben meiner Espressomaschine! Was räumt sie da auf?“
„Schau doch!“
„Erkenn ich nicht so richtig. Sieht aus wie ein kleiner weißer Wurm.“
„Genau!“
Das muss ich jetzt noch mal kurz zusammenfassen. Wolf zeigt mir morgens, bevor ich meinen Kaffee getrunken habe, ein Foto von einer Spinne, die einen weißen Wurm durch die Gegend, genauer: meine Küche, trägt.
„Wolf, das ist eine Made.“
„Ja, könnte sein, aber schau mal, wie toll die Spinne ...“
Ich beschließe erst mal einen Kaffee zu trinken. Und eines meiner Notfall-Kekse zu essen.
Ich öffne die Schranktüre und ein Schmetterling kommt raus, ein ganz kleiner. In einer winzigen Staubwolke. Da das Koffein noch nicht wirkt, tue ich mir noch etwas schwer mit dem Kombinieren diverser Ereignisse. Das fällt mir zwei Stunden später dann nicht mehr ganz so schwer, als ich den Brotkasten vor die Tür stelle, weil da ein weißer Wurm drin rumkrabbelt. In der Küche schwirren kleine Schmetterlinge in kleinen Staubwolken. Auf dem Küchenbord krabbelt eine kleine weiße Made. Sie fällt auf den Boden. Ich schiebe sie auf meine „Kalorien zählen am Wochenende nicht“-Postkarte und trage sie zu meinen beiden Hühnchen. „Berta schau mal, was ich da für dich habe ...“ Berta nimmt mich nicht ernst. Im Vergleich zu den Mehlwürmern zu klein. Ich merke noch nicht deutlich genug, wie die Panik immer weiter nach oben kriecht.
Flashback. Ich stehe in meiner WG in der Neuhauserstraße auf dem Küchentisch und Eliane steckt mein Abendkleid ab. Machen wir kürzer. Damit ich es auch nachmittags tragen kann. Und wie ich mich so drehe und an die Decke starre, erblicken meine kurzsichtigen Augen, etwas, was sie 1,6 Meter weiter unten nicht gesehen hätten. Lauter kleine an der Decke krabbelnden Maden. Ich springe vom Tisch, rüber zu Perry, meinem damaligen Lebensabschnittsgefährten. Er will mich retten, wie immer ... Geht in die Küche und patscht alle Lebensmittelmottenmaden an Decke und Wand tot. Während ich weinend im Flur steh. Das Lebensmittelmottenmadendeckenmuster währte übrigens tatsächlich bis zum Auszug.
Dass es in einem nicht unbedingt immer äußerst sauberen WG-Haushalt Lebensmittelmotten gibt, ja, das kann man sich ja vorstellen, vor allem, wenn ich dran denk, was ich auf der Suche nach dem Lebensmittelmotten-Ursprung alles entdeckt habe. Wie zum Beispiel den Topf ganz oben hinten auf dem Küchenoberschrank, den Mittbewohner Harry (187 Zentimeter) mal nicht spülen wollte. Das „Mal“ war sechs Monate vor der Motteninvasion. Da war aber anderes drin in dem Topf. Sechsmonatskartoffeln. Haariggrün. Nicht minder ekelerregend. Also Lebensmittelmotteninvasion in einer Junger-Leute-WG, jupp. Vorstellbar. Aber bei einer durchaus erwachsenen, mitunter sehr gescheiten Ökotrophologin. Ein No-Go! Wenn das die Presse wüsste. Bestsellerautorin und Ernährungswissenschaftlerin von Lebensmittelmotten heimgesucht. Während ich so denke krabbeln Armeen von kleinen weißen unsichtbaren Maden hinter mir her, schwirren hunderte von Schmetterlingen um mich herum. Begleiten mich auf meiner Suche nach dem Ursprung. Umflirren mich, während ich dutzende von Tüten mit diversen Ökomehlen und Bionüssen, Pferdemash und Hühnerfutter (aaaahhiiiiiihhhh!) untersuche. Während ich im Internet Schlupfwespen bestell .... meinen Beruf schon mal vorsichtshalber an den Nagel hänge ... und der Spinne, die ihr Netz neben meiner Espressomaschine raumgreifend gesponnen hat, das ausgetrocknete Opfer deutlich sichtbar, eine herzliches „Danke!“ zuraune.Â