Die Mimose öffnet sich, wenn die Sonne aufgeht und schließt ihre Blätter, wenn es dunkel wird. Das tut sie auch im dunklen Kämmerchen. So funktionieren wir auch.
Verantwortlich für diesen Tag-Nacht-Rhythmus ist eine ganze Reihe von Genen und Proteinen. Für die Entdeckung der molekularen Mechanismen, die diesen sogenannten zirkadianen Rhythmus steuern, haben die US-Forscher Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michel W. Young jetzt den Nobelpreis für Medizin oder Physiologie bekommen. Es ist die höchste Auszeichnung für Wissenschaftler weltweit. Das System trägt den Namen TTFL (Transcription-Translation Feedback Loop).
6 Uhr: Blutdruck, Puls und Körpertemperatur steigen an. Und das Stresshormon Cortisol. Eine Stunde später überschwemmt uns eine Ladung Sexualhormone, wir werden munter. Und Er streckt sich. Um 8 etwa steigt der Blutdruck am schnellsten an. Um 10 erreicht unsere Aufmerksamkeit einen Höhepunkt. Gegen 11 steigt die Konzentration an roten Blutkörperchen stark an, der Körper ist optimal mit Sauerstoff versorgt, das lässt uns wunderbar denken.
Von 13 bis 14 Uhr mag sich das Herz erholen, der Dünndarm allerdings hat seine Leistungsphase. Wir haben unser Mittagstief. Nun sollte man den inneren Rhythmen zuliebe 20 Minuten schlafen. So um 14 Uhr sind wir unschlagbar in unserer Koordination. Und reagieren am schnellsten um 15 Uhr. Das ist auch die beste Zeit für einen Zahnarzttermin. Wir sind weniger schmerzempfindlich. Nachmittags erreichen Atemfrequenz, Körpertemperatur, Blutdruck und Puls ihr Maximum. Und die Muskelkraft hat ihren Höhepunkt, genauso wie die Geschicklichkeit.
Gegen 17 Uhr beginnt für den Körper schön langsam die Regenerationsphase – und damit die Arbeit für die Niere: Sie entgiftet den Körper, der Harnfluss steigt. Die Temperatur hat um 18 Uhr ihr Maximum. Um 20 Uhr der Blutdruck. Der Kreislauf tritt ab 21 Uhr in den Ruhestand. Die Schmerzempfindlichkeit nimmt zu, bis unser Körper seine allabendliche Melatoninlieferung abholt. Er will schlafen. Doch auch dann sind Organe aktiv: erst die Galle, dann die Leber, dann die Lunge, dann der Darm.
So gegen 3 bis 4 Uhr nachts haben wir unsere schwärzeste Stunde. Gut ist, wenn man da schläft. Wer zur »Stunde des Wolfs« wach ist, fühlt sich nicht wohl. Körperlich und seelisch. Jetzt darf man sich von seinen Gedanken nicht runterziehen lassen. Morgen beginnt ein neuer zirkadianer Rhythmus (lateinisch »circa dies« bedeutet: ungefähr ein Tag). Alles ist wieder gut. Wenn nicht, dann hilft vielleicht eine Lichttherapie. Mit einer Therapielampe. Die Heilung für die so oft vorkommende Winterdepression. Zusammen mit einer Stoßtherapie Vitamin D.