Sir Maxx markiert
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Als der kleine weiße Hund zum ersten Mal sein Beinchen hob, schwankte ich wie er, zwischen Hundemamastolz und tiefer Verwirrung: Der ist doch erst vier Monate alt, das macht Hund normal doch viel später? Anfangs war das ja eher süß. Wie der kleine Maxx da im unschuldigen pudeligen Bolonka-Nähmaschinenschritt von einer Hundereichsgrenze zur nächsten düst. Und man stets bangte: schafft er’s ohne Bauchlandung … Wirklich, äußerst erbaulich. Bis zur Einladung von Sasa. Zum Festessen über den Dächern Münchens. In einer superschicken Penthauswohnung. Mit weißen Säulen.
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Mittlerweile steht Maxxl sicher auf seinen drei Beinen und hebt beim Reichsgrenzenmarkieren den Kopf so, dass man immer, wenn er pinkelt Sir Maxx zu ihm sagen möchte. So düst Sör Maxx in die Wohnung von Sasa. Und hebt, während wir noch Grüß-Gott sagen, das erste Bein an der ersten weißen Säule und hinterlässt ein gelbes Graffity, das in einem Seelein mündet. Filippo, der Enkel von Sasa, ruft laut durch den Saal: „Schaut mal, der Hund hat da hingepinkelt!“ Gott sei Dank auf Italienisch. So dass das nicht alle Anwesenden verstehen. Zumindest bis Matteo, Sasas zweiter Enkel übersetzt: Ja, schaut mal da hat der Hund … Ich bin mit tausend Hitzewallungen und eben so vielen Entschuldigungen über den Dächern Münchens noch mit dem Entfernen des Seeleins beschäftigt, als ich merke, dass Maxxl abgängig ist. Und die beiden Enkel auch. Alle drei sind in Sasas Schlafzimmer. Und dort ist eindeutig ein gelbes Meer auf dem weißen Flokati und Zeichen des Missbrauches an der roten Brokat-Bettdecke. Und die beiden Buben halten sich die Bäuche. Nun muss schnell mein Halstuch herhalten …
Maxxl weiß anscheinend noch nicht, dass zum Markieren eines Reviers eine geringe Menge ausreicht. Weil der normale Hund lauter kleine Portionen verteilt, um ja viel Fläche zu markieren. Also hege ich die berechtigte Hoffnung, dass er bald leer ist. Ist er nicht.
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Zu diesem Ganzen überaus unangenehmen Szenario gehört auch mein Vater. Der Hausherr und Ehemann von Sasa. Und der findet das natürlich gar nicht lustig. Nach der vierten Panne sagt er: „Kannst du das bitte abstellen?“ „Gerne. Sag mir wo der Haupthahn ist.“ Da das ganze hormonell gesteuert ist, hilft bestrafen nix. Und auch nicht das Wissen, „dass das Herrchen als „Rudelführer“ das Tier dazu trainieren kann, nur nach Erlaubnis zu markieren“ (steht genau so in der Hundeerzieherliteratur). Wenn ich ihn nach jeder Pfütze runter trag, an einen Ort, wo er darf. Muss ich verhungern heute. Wir sind im sechsten Stock … „Da schau, der kleine Macho hat ans Sofa gepinkelt. Stell das bitte sofort ab.“ „Wo ist der Knopf?“ „Den musst Du kastrieren.“ „Bring mir ein Messer … okay, gib mir Apfelessig.“ Einen Rat, den er mir vor zehn Jahren mal gegen Fidos Heimatmarkiererei gegeben hat. „Versprüh’ überall, wo Du ihn nicht haben willst, hoch konzentrierten Apfelessig. Das können sie nicht riechen.“
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Stumm blickte er mich an und drückte mir Maxxls Leine in die Hand. „Häng ihn an!“ Wir verbrachten dann einen relativ reibungslosen weiteren Abend.
Am nächsten Tag rief mich mein Erzeuger an: „Ich habe siebzehn Pfützen gezählt.“ Ich bin ja froh, dass er die gefunden hat. Im Netz hab ich nämlich gelesen, dass sich die Hinterlassenschaften kleiner Hunde oft erst Wochen später unangenehm amoniakalisch bemerkbar machen … mit drastischen Folgen fürs Mobilar.
Drei Wochen später kamen Sasa und mein Vater zu uns. Taxi, ihr Jack Russel Terrier, stolziert durch unser Wohnzimmer an meinen lindgrünen Vorhang und hebt sein Bein. Das hat der noch nie gemacht. Mein Vater kriegt nicht mal einen roten Kopf. Er lacht: „Siehst Du, jetzt rächt er sich.“
Menschenskinder. Wie hat er ihm das nur beigebracht?
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Morgen wieder was xuntes!
bis bald, herzlichst
Marion Grillparzer