Ich schick ihm am Tag vor meiner Heimreise eine Whatsapp mit einer Einkaufsliste. Am nächsten Morgen schreibt er: „Dein Bittersalz wartet auf Dich, du kannst heimkommen.“ Ich tippe: „Das Bittersalz wartet auf Dich! Mein Schatz!“ Er guckt schon grantig, als ich nach Hause komme. „Deine Whatsapp ... meinst Du wirklich ernst?“ „Ich: Ja.“
Ich weiß, das macht man nicht. Der Wunsch etwas zu ändern muss von innen heraus kommen. Aber Wolf braucht zu seinen nicht gerade erbaulichen Blutwerten noch einen Anstubser. Und ich brauch ihn noch ein bisschen.
Ich stell mich in die Küche und koche. Stundenlang. Einmal Zeit reinstecken – und über die Woche funktioniert das Kochen dann im Zeitraffer. Also ich koche die Basen-Gemüsebrühe für 1 Woche. Die Aufstriche für 3 Tage. Die Suppe für heute Abend – und morgen. Die Kautrainer für ein paar Tage. Die dürfen ja auch hart werden. Für uns beide. Ich mach mit, das ist dann einfacher für ihn. Allerdings achte ich jetzt auf genügend Eiweiß. Und keine Abnahme mehr. Morgens gibt’s Aufstrich oder Haferbrei mit Erbsen-Eiweißpulver drin. Mittags viel gedünstetes Gemüse mit Fisch oder Ziegenkäse. Und als Nachtisch einen gebackenen Apfel. Abends weiterhin eine leichte Gemüsesuppe mit weniger Wurzelgemüse.
Ich stell Wolf, bevor es los geht, auf die BIA-Waage. Notiere Gewicht. Fett. Muskelmasse. 3D im Kleinen. „Wie, ich habe fünf Kilo zugenommen?“ „Ja. Fett.“ Wolf ist schlank. Aber drinnen sieht es schon ein bisschen fett aus. Mehr Muskeln, tun ihm sicher gut, das Fett verschwindet dann von ganz alleine. Ich verordne dem Bücherwurm 15 000 Schritte die nächsten Tage. Drei Mal 7 Minuten Wippen auf dem Trampolin als Lymphdrainage. Und – er darf es sich aussuchen – 8 Minuten Planks (Start mit 20 Sekunden pro Stück!) oder Galileo. Gewogen wird täglich. Er darf keine Muskeln verlieren.
Morgens gibt es vor dem Aufstehen ein Glas Wasser mit 1 TL Bittersalz. Fünf Tage lang. Zum Essen gibt es Kautrainer. Aufstriche. Suppe. Wolf: „Ein Gläschen Bier?“ „Nein“ sagt das sich um seine Gedärme sorgende Personal. 2 bis 3 Liter Wasser oder Kräutertee. Eine halbe Stunde vor und nach dem Essen.
Ich mach mit. Bin fröhlich und voller Energie. Wolf steigt morgens tonlos und schief aus dem Bett. Sein Moritzschopf steht noch mehr zu Berge – gegen Osten. Ich stell ihm alles hin. Bittersalztrunk. Kräutertee. Suppen. Kautrainer ... Er grantlt. Stöhnt. Und liegt zwischen den Schritten und dem Kauen auf der Couch. Am liebsten in der Nähe von mir, damit ich sehe, wie er (im Grunde nicht unfit) durch meine Schuld nach 1 km Gehen leidet. Drei Tage lang. Männergrippemäßig. Hat da schon sein erste Kilo Fett verloren. Muskeln sind noch dran. Aber er grantlt. Ehrlich, denke ich mir morgens am fünften Tag: Wahrscheinlich ist es mitunter die bessere Idee, den Partner früh sterben zu lassen, oder zum Grantln und Fasten in eine Klinik zu schicken. Aber dann: „Mäuslein“, flüstert ein Ostmorizschopf um den Türrahmen herum, „hast Du auch gut geschlafen? Was steht heute an? Gibt’s heute Haferbrei zum Frühstück? Wollen wir gleich mal wiegen?“
Tja. Das Leben ist schön