Also ich fliege heute in die Küche und suche lauter leckere Dinge für Polly und Dolly. Halbiere eine reife Tomate, schnapp ein paar Sonnenblumenkerne, ein paar Erdbeeren, hack ein paar Brennnesselblätter… Ein Bestechungsversuch. Ich will ja nicht mal, dass unsere neuen Mitbürgerinnen Eier legen, sondern ich will erst mal, dass sie ihr Häuschen verlassen. Hühner beruhigen. Darum haben wir jetzt neuerdings, also seit drei Tagen, zwei Maran-Damen. Eine alte französische Rasse, der sogenannten Zwiehennen. Zwie, weil die könnte man auch essen, wenn man das wollte, weil die nicht nur große Schokoladeneier legen, sondern auch stattliche 3,5 Kilo auf die Waage bringen. Wie gesagt, ich möchte fern von jedem Gedanke an Eier, erst einmal, dass sie ihr Häuschen verlassen – und mich beruhigen. Hühner werden in Japan übrigens sogar verliehen, um Menschen zu beruhigen. Wunderbar, da ich ja an der HRV am Forschen bin – als Gesundheitsberaterin für mich und natürlich auch für euch, falls ihr mal von mir beraten werden wolltet. Die Herzraten-Variabilität, das Maß für die Aktivität unseres uns entspannenden, jung, schlank und gesund haltenden Parasympatischen Nervensystems, das bei mir irgendwie eingeschlafen ist. Und mit unzähligen Weckungsversuchen tracktiert wird: Yoga, QuiGong, Qui-Ball, Schaufübungen, natürlich der Lovetuner… Da kommen mir beruhigende Hühner sehr entgegen. Momentan beruhigen sie mich noch nicht. Weil sie nicht mal dran denken, ihr Häuschen zu verlassen. Da kann ich mit Erdbeeren und Tomaten und Brennnesseln kommen… Nix da. Also ich öffne alle Klappen, stell den hübsch angerichteten Teller ins Häuschen hinein. Und Polly kommt dann irgendwann nach langen Achsamkeitsmomenten und stellt sich rein. Mitten in den Teller. Mit ihren großen blassen Krallenfüßen. Dreht sich drei Mal im Kreis und pickt irgendwas Imaginäres rund um den Teller. Setzt ein dickes Häuflein auf die Erdbeeren – und ich ziehe nicht beruhigt von dannen. Um meinen Teig zu füttern. Der ist mittlerweile aus seinem Haus raus. Hat sich über den Glasrand hinweg geblubbert. Und alles unter sich mit Leim eingekleistert. Ich tue übrigens grad alles, um das herauszufordern, was so an Urinformation in unseren Genen stecken könnte, was das Parasympathische Nervensystem das Ruder übernehmen lässt. Sprich meine HRV verbessern könnte. In Richtung Jungend, in Richtung Gesundheit, in Richtung wunderbar funktionierendes Stressmanagement. Dazu gehört auch Brotbacken. Herrlich beruhigend. Nur bei mir nicht. Genauso wenig, wenn ich Maxxl scheren muss. Der sieht aus, wie eine von coronainfizierten Motten zerfressene Wollwurst. Also genauso wenig wirkt Brotbacken bei mir nicht herrlich beruhigend. Vor allem der an den Händen klebende Roggen-Sauerteig nicht. Da hätte man versteckte Kamera drehen können, wie ich letztens in der Küche im Sympathikus-Tonus versucht hab, den Teig mit der Hand aus der Küchenmaschine zu holen. Mein Puls schnellte auf 180, meine HRV auf genauso tiefrot wie mein Gesicht. Und Wolf hat mich eine halbe Stunde lang beruhigt, indem er von sanften Worten begleitet diesen Kleberleim aus meinen Haaren, meinen Händen, von mir überhaupt, aus der Küchenmaschine und aus der Küche zupfte…
Aber das ist eine andere Geschichte. Und die heben wir uns mal auf. Hier bleibt nur noch eines zu erzählen. Wer hat es geschafft, dass sich die Hühner aus ihrem Häuschen trauen? Genau. Wolf. Er hat sich auf einen Stuhl vor das Häuschen gesetzt. Und beruhigend geplappert...